Anfang Dezember hatte der geneigte Leser die Qual der Wahl: in der letzten Woche erschien die RETRO #10 (GO64! Heft 10-12/2009) und bereits am Mittwoch der Vorwoche das PC Action-Sonderheft „Classic Gaming“ (Sonderheft 1/2009). Dass es die RETRO nur im ausgesuchten Fachhandel oder als Abo gibt, ist ja hinlänglich bekannt, aber die „Classic Gaming“ zu bekommen, war auch nicht viel einfacher.
Besuch im Supermarkt, der ist sonst gut ausgestattet und führt auch die PC Action: Fehlanzeige. Zeitungskiosk im Kaufhaus: Niente. Kiosk hier, Zeitschriftenhändler da: Nix, nix, nix. Zuletzt, nach einer Woche Sucherei, wurde ich dann in einem anderen Kaufhaus doch noch fündig (und habe erstmal zwei Exemplare „sichergestellt“). Gut, ich hätte gleich zum Bahnhof in die nächste Großstadt fahren können, aber bei den heutigen Preisen für den ÖPNV …
Vergessen wir mal, dass die RETRO eine spezielle Beziehung zum C64 haben sollte und betrachten wir sie als reines RETRO-Magazin (dann erspar ich mir das übliche Meckern). Das Titelthema der RETRO #10 ist „Rollenspiel“ und diesem Thema ist tatsächlich fast das ganze Heft gewidmet, wobei es wohl kein Zufall ist, dass sogar das C64-Longplay „The Bard’s Tale III“ zu diesem Titelthema passt.
Manch einem mag so ein geballter Themenschwerpunkt gefallen, ich hätte gern ein wenig Abwechselung gehabt. Schließlich ist ein Magazin kein Nachschlagewerk oder eine wissenschaftliche Publikation (leider lesen sich manche Texte so). Fazit: Interessant, aber schwer verdaulich und manchmal so düster wie das Titelbild.
Ganz anders begegnet einem das „Classic Gaming“ Sonderheft. Der Aufmacher, die Ankündigung für Giana Sisters 2 (leider nur für Nintendo DS), füllt zwar zehn eng beschriebene Seiten, doch bleiben 70 weitere für andere Themen und zudem bietet die Gestaltung mit Interwiews, Bildern und Infokästen reichlich Abwechselung.
Im weiteren Heft werden diverse Homecomputer und Konsolen im Schnelldurchlauf behandelt. Und passend dazu, wie es der Titel des Sonderhefts geradezu verlangt, werden die Spieletipps der Reaktion gleich mitgeliefert (man merkt, das Heft richtet sich an Neueinsteiger und Diversifizierer).
Interessant, wenn auch in einigen Phasen gequält komisch (das zieht sich durch das ganze Heft) sind die Interviews z.B. mit Chris Hülsbeck, Manfred Kleimann (ASM) oder Heinrich Lenhardt (64er, Happy-Computer, Power Play). Irgendwann ist den Machern dann doch der Stoff ausgegangen, anders jedenfalls kann ich mir die überflüssige zweiseitige Story zum Thema „Tipps für Online Auktionen“ nicht erklären.
Auf der beiliegenden DVD findet man neben ein paar alten PC-Spielen auch diverse Spielevideos und einen C64-Emulator mit – und das war der tiefere Grund des Kaufes: 99 Spielen.
Im Editorial klingt an, dass dieses Sonderheft der Start eines neuen Magazins sein könnte, und so ist es auch im Blog bei Heinrich Lenhardt zu lesen. Andererseits haben die beiden verantwortlichen Redakteure, Jo Hesse und Harald Fränkel, inzwischen den Verlag (offensichtlich unfreiwillig) verlassen, was wohl das vorzeitige Ende von „Classic Gaming“ bedeuten würde. Vielleicht ist das ja die Erklärung für die unzureichende (nicht flächendeckende) Verbreitung des Magazins. Will man den Erfolg nicht (mehr)?
RETRO und Classic Gaming richten sich mit vollkommen unterschiedlichen Konzepten an die (kleine) Gruppe der „Retro-Gamer“. Classic Gaming ist professionell, peppig und ansprechend. Sollte aus dem Sonderheft doch noch ein regelmäßiges Magazin entstehen, das mit den Möglichkeiten eines großen Verlages vertrieben wird, müssen sich die Macher der RETRO ganz schön warm anziehen.